Selbstorganisation von Migrantinnen (Nr. 103 / 2008)

Selbstorganisation von Migrantinnen

Der Themenschwerpunkt dieser Ausgabe beschäftigt sich mit der Selbstorganisation von Migrantinnen entlang der Aspekte von widerständiger Bildung und Wissensproduktion, identitätsübergreifenden und strategischen Allianzen und selbstbestimmten Räumen der Artikulation in Form von eigenen Medien.
Selbstorganisierung bedeutet Austausch und Umverteilung von Wissen, Bewusstsein und Erfahrung unter ähnlich gesellschaftlich Positionierten. Für Marginalisierte bedeutet autonome Organisierung aber auch Anspruch auf gesellschaftliche Partizipation – und steht damit für eine Subjektwerdung, die selbstermächtigend wirkt.
Einige der im Schwerpunkt abgedruckten Bilder sind im Rahmen von Kunstprojekten, die sich kritisch mit Fragen zu Migration und Rassismus auseinandersetzen, entstanden, wie etwa ein Projekt der Recherchegruppe zu Schwarzer österreichischer Geschichte und Gegenwart im Rahmen der Ausstellungsreihe „Verborgene Geschichte/n – Remapping Mozart“.

Die mediale Berichterstattung über männliche Gewalt gegen Frauen mit migrantischen Hintergründen wie z.B. „Ehrenmorde“ bedient sich nicht selten ethnisch aufgeladener Deutungsmuster, die als Ursache für die Gewalt die Herkunftskultur der Betreffenden nahelegt und diese damit zugleich legitimiert. Während etwa in der Türkei „Ehre“ kein mildernder Strafgrund ist, haben deutsche Gerichte dies aus vermeintlicher Rücksicht auf die „kulturelle Differenz“ anerkannt. Eine solche Praxis ist aus einer sowohl feministischen als auch antirassistischen Perspektive zu kritisieren. Auch die ausschließliche Anwendung von Konzepten wie „Ehre“ und „Stolz“ auf andere Gesellschaften als die eigene muss kritisch reflektiert werden – doch zu oft werden hier feministische und antirassistische Kritiken an Gewaltverhältnissen, die stets patriarchal begründet sind, gegeneinander ausgespielt.

Inhalt

Paradoxe Intervention in Dominanzverhältnisse? Partizipation durch Selbstorganisation. Patricia Latorre und Olga Zitzelsberger 

Eine Lobby für die Anliegen Schwarzer Frauen: AFRA will Selbstbestimmung nach innen und außen. Interview mit Beatrice Achaleke

Das Begehren neu ordnen: Autonome Wissensproduktion in postkolonialer Perspektive. Interview mit María do Mar Castro Varela 

Realitätsverändernde Bildungsprozesse: Politische Bildungsarbeit im autonomen Migrantinnen-Zentrum maiz. Rubia Salgado

Babaylan Europe: Die Feminisierung der philippinischen Migration. Malu Padilla 

Don’t panic, I’m Islamic! Der Kulturverein Kanafani. Tuba Danis, Asuman Mert, Baruch Wolski

MigraZine: Das mehrsprachige Online-Magazin von und für Migrantinnen

„As long as we sing and dance, the audience will accept us“: Balkan, Musik und Queer. Vlatka Frketic

TERRE DES FEMMES: Selbstverpflichtung für Unternehmen: Kampagne gegen Häusliche Gewalt. Serap Altinisik

TERRE DES FEMMES: Weil sie ihre Kinder sehen wollte: Die Ermordung von Suzana L. und das Versagen der deutschen Behörden. Rahel Volz

Das andere Geschlecht: Mit Simone de Beauvoir nach Frankreich und zurück nach Venezuela. Interview mit Gloria Comesañas

Wettbewerbsfähigkeit sichern? Das geplante Freihandelsabkommen zwischen EU und Indien. Christa Wichterich

„Einen Sarg für deine Zunge!“ Über die Herausforderungen von Medienaktivitäten in der kolumbianischen Frauenbasisarbeit. Interview mit Maria Jackeline Rojas Castañeda

Neue Erwerbsmöglichkeiten schaffen: Prekarisierung und Informalisierung des nikaraguanischen Arbeitsmarktes. Kathrin Pelzer

Identitäten neu schaffen: Dokumentationen bei den FrauenFilmTagen 2008. Vina Yun

Sich gemeinsam befreien: LGBT-Aktivismus in der Türkei. Anil Üver

Wogen ins Geschlechterverhältnis: Kommentar zum 100. Geburtstag von Simone de Beauvoir. Ulrike Lunacek