Alles in Trümmern

Welche Alternativen gibt es?

Wir halten den Atem an: Trumps Administration hat für neunzig Tage die wichtigste Hilfsorganisation der Welt, die Behörde für internationale Entwicklung, die USAID, auf Eis gelegt. Ziel ist es, die Einrichtung in der jetzigen Form vollkommen zu zerschlagen. Weltweit wurden 10.000 Mitarbeiter_innen gekündigt. Innerhalb weniger Tage verloren fast eine Million Frauen den Zugang zu Verhütungsmitteln, über elf Millionen Frauen* wurde die gesundheitliche Versorgung entzogen, betroffen sind Frauen* auf der Flucht und Vertriebene, aber auch Patientinnen, die eine Behandlung gegen HIV und Tuberkulose benötigen. Schulspeisungsprogramme für Millionen Schüler_ innen sind ausgesetzt, Lieferketten für Medikamente abgerissen, Krankenhäuser geschlossen, weltweit, innerhalb nur weniger Tage.

Im Netzwerk der NGOs berichten uns Kolleg_innen von Chaos und Verzweiflung – aber auch von Hoffnung. Denn USAID gehört zu jenen Organisationen, die deutlich und offensiv US-Interessen und -Werte durchzusetzen versuchen; zum Beispiel – schon in Trumps erster Amtszeit – durch die Weigerung, sichere Abtreibungen anzubieten. Damit schränkte die US-Behörde das reproduktive Selbstbestimmungsrecht in Asien und Afrika deutlich ein. Ebenso kritisiert wird die Praxis, vor allem mit NGOs nach westlichem Muster zusammen zu arbeiten. So gingen beispielsweise 92 Prozent der USAID-Zuschüsse in Nigeria an städtische Organisationen, die von Männern mit westlichen Abschlüssen geleitet wurden – während ländliche Frauenkollektive ausgeschlossen blieben.

Kann es nun, auf den Trümmern der USAID, gelingen, Projekte der Entkolonialisierung zu stärken – und damit auch die Interessen von Frauen* abzusichern? Wir meinen ja! Im Fokus stehen jetzt feministische Projekte, die versuchen, die finanzielle Abhängigkeit vom „Norden“ gering zu halten. Es sind Süd-Süd-Netzwerke, die aus Erfahrung „Solidarität“ konsequent neu definieren; wenn zum Beispiel der „Solidaritätsfonds der Textilarbeiterinnen“ in Bangladesch ein Prozent der Löhne seiner Mitglieder in eine kommunale Krisenreserve umverteilt; oder wenn sich an der digitalen „Decolonial University of the Global South“ 89.000 Studierende einschreiben und mit Open-Source-Lehrplänen arbeiten, die von simbabwischen und bolivianischen Feministinnen mitgestaltet wurden; oder wenn „Feministische Kryptowährungen“ die nationale Inflation umgehen, wie in Ecuador, wo das Frauenkollektiv „Mujeres del Maiz“ 12.000 Mitgliedern (via Blockchain-Token) einen stabilen Preis sichert, der an die einheimische Maisproduktion gekoppelt ist. Die von Frauen geführten Bewegungen sorgen trotz des Ausbleibens der US-Hilfen aus dem Norden schon jetzt für einen zivilisatorischen Wandel. Und sie sind Vorbild, für das Neue, das kommen wird. Davon sind wir überzeugt.

Andrea Ernst und Luisa Dietrich