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Männer* im Feminismus?

Ein Artikel von:
Flo Schinnerl

Das Patriarchat unterdrückt nicht nur Frauen und queere Menschen, sondern hat auch negative Konsequenzen für Männer. Trotzdem fällt es Männern schwer, ihre Privilegien aufzugeben. Warum ist das so, und was kann Mann dagegen tun?

Ein warmer Frühsommermorgen am Klimacamp in Wien. Ich sitze mit Max im Gras und bin schon etwas nervös – unser Workshop beginnt in einer halben Stunde. Wird überhaupt jemand auftauchen? Vielleicht ein paar Typen, die zu viel Raum einnehmen – und habe ich dann die Courage, sie darauf hinzuweisen? Puh, ganz schön herausfordernd, so einen Workshop über Feminismus und Männlichkeit zu halten!

Warum sollten Männer feministisch sein?

Die Antwort ist für Feminist_innen offensichtlich: Das Patriarchat ist ungerecht, weshalb sich jeder Mensch für eine gerechte Welt für alle einsetzen sollte. Dass davon alle profitieren, ist für cis Männer oft nicht ganz so offensichtlich; die eigene privilegierte Position aufzugeben wirkt wie ein Nachteil und nicht gerade wie ein erstrebenswerter Akt. Dabei gibt es viele Argumente, die aufzeigen, wieso gerade cis.Männer auch um ihrer selbst willen Feministen sein sollten.

Die intersektionale Feministin bell hooks beschreibt in ihrem Buch The Will to Change: Men, Masculinity, and Love, wie Burschen schon von klein zu emotionaler Abstumpfheit und Konkurrenzdenken erzogen werden – und wie alle unter der emotionalen Kälte von Männern leiden1. Immerhin ist so gut wie jede_r in irgendeiner Form in Beziehung mit einem Mann, sei es als Eltern/Kinder, Freund_innen oder Partner_innen.

Männer könnten vom Feminismus einen gesünderen Umgang mit Emotionen lernen und erfülltere Beziehungen aller Art gewinnen. Aber auch gesundheitlich gäbe es einiges zu holen – niedrigere Lebenserwartung, höhere Selbstmordrate und höheres Unfallrisiko sind nur drei von vielen Auswirkungen des Patriarchats auf Männer. Gründe gibt es also genug – aber wo fangen wir an?

Von toxischer und kritischer Männlichkeit

Der Begriff „toxische Männlichkeit“ bezeichnet ein männliches Rollenbild, das von aggressivem Dominanzverhalten und Frauenfeindlichkeit geprägt ist. Dieses Problem zieht sich um die ganze Welt und ist auch in Österreich noch lange nicht überwunden, wie die aktuell 25 Femizide (Stand: August 2022) zeigen. Zurückzuführen ist das darauf, dass es eine der wichtigsten Anforderungen unserer Gesellschaft an Männer ist, möglichst dominant zu sein. Umgekehrt werden als weiblich konnotierte Eigenschaften wie Empathie, Fürsorglichkeit und Emotionalität unterdrückt und generell Frauen und alles Weibliche abgewertet. Dieses sexistische Machtgefälle ist also ein Teil unseres Männlichkeitsideals. Aber auch zwischen Männern verhindert das ständige Vergleichen oft ein gutes Miteinander und führt durchaus auch zu psychischer oder gar physischer Gewalt.Dominanz umfasst aber nicht nur physische und psychische Gewalt. Beispiele für weniger offensichtlich gewaltsame Arten von Dominanz sind etwa finanziell, emotional, intellektuell oder moralisch aufgezwungene Überlegenheit. Diese werden außerhalb feministischer Kreise sowohl in der wissenschaftlichen Literatur als auch in den Mainstream-Medien oft nicht in den Diskurs mit einbezogen, was zu einer Verschleierung dieser Verhaltensweisen beiträgt. Dabei sind diese oft nur privilegierten Gruppen zugänglich, und daher ist diese Verschleierung auch klassistisch. Zudem wird es Männern damit leicht gemacht, sich davon abzugrenzen und sich erneut über andere zu stellen: „Ich schlage doch niemanden, ich bin besser als diese Machos.“ Und damit kommen wir nicht weiter. Denn was es braucht, sind Männer, die sagen: „Ja, ich bin Teil des Problems und will daran arbeiten.“Es braucht also eine kritische Auseinandersetzung mit (der eigenen) Männlichkeit – das ist leichter gesagt als getan. Dabei müssen einige Stolpersteine aus dem Weg geräumt werden. Etwa wenn „Kritische Männlichkeit“ wieder zur Identität und zum Mittel der Dominanz wird. Wer sagt, „ich bin reflektierter, kritischer als du“, der stellt sich erneut über andere. Aber auch ein totaler Rückzug in die Selbstreflexion aus Angst davor, Fehler zu machen, ist nicht zielführend. Denn dabei wird nicht sichergestellt, dass der freiwerdende Raum nicht wieder von Männern besetzt wird. Und natürlich ist es auch wichtig anzuerkennen, dass das Reflektieren und gegebenenfalls Loslassen von Privilegien durchaus ein schmerzhafter Prozess sein kann – was aber wiederum keine Berechtigung dafür ist, sich und seinen Schmerz über den von anderen (potenziell weniger privilegierten) Menschen zu stellen.

Wie kann Mann jetzt ein guter Feminist sein?

Zuerst: Bilde dich und hör zu! Jede Veränderung beginnt bei sich selbst. Lies feministische Texte, informiere dich über die Auswirkungen von sexistischer Diskriminierung (wann war nochmal der Equal Pay Day dieses Jahr?), übe dich darin (besonders FLINTA*2) zuzuhören, ohne gleich in ausschweifende Erzählungen deinerseits zu verfallen. Auch emotionale Bildung ist ein wertvoller Beitrag zu einer geschlechtergerechteren Welt, denn wenn Männer Care-Arbeit übernehmen sollen, dann sollten sie auch emotional dazu fähig sein. Und spüle einmal öfter das Geschirr, auch wenn es sich gerade unfair anfühlt.

Wenn du Lust hast auf feministischen Aktivismus, dann bist du sicher nicht fehl am Platz – vorausgesetzt, du nimmst dir nicht zu viel davon. Denn hier gilt: Ja, Männlichkeit ist ein wichtiges Thema im Feminismus, aber sicher nicht das wichtigste. Und gerade im Aktivismus ist es wichtig, nicht wieder sexistische Rollen zu reproduzieren! Also probiere doch mal, eine weniger sichtbare Tätigkeit in der zweiten Reihe zu übernehmen – in der Kinderbetreuung, in der Verpflegung oder bei anderer reproduktiver Arbeit.

Als dritte wichtige Möglichkeit, aktiv zu werden, gibt es noch den (feministischen) Austausch mit anderen Männern. Einerseits, um Support-Strukturen aufzubauen, denn sich mit seiner Identität und seinem Verhalten auseinanderzusetzen, kann, wie schon erwähnt, auch mal weh tun – und idealerweise sollten wir dann nicht wieder die Care-Arbeit von FLINTA* einfordern. Andererseits, weil gerade zwischen Männern das Dominanzverhalten am schwierigsten abzulegen ist – so sind oft Männerräume Hochburgen des Sexismus, selbst wenn alle Beteiligten zu Hause die fleißigsten Hausmänner sind. Das zu verlernen geht nicht von heute auf morgen, es braucht viel Übung sowie einen liebevollen Umgang mit den eigenen Fehlern. Das ist oft gemeinsam einfacher. Also schließe dich einer lokalen feministischen Männergruppe an oder gründe selbst eine, rede mit den Männern in deinem Umfeld über Emotionen und Feminismus, besuche Workshops zu kritischer Männlichkeit oder organisiere vielleicht sogar selber welche.

Denn entgegen aller Befürchtungen saßen wir an diesem warmen Frühsommertag in Wien mit mehr Menschen im Gras, als wir uns erhofft hatten, Männer und FLINTA* gleichermaßen. Trotz anfänglicher Unsicherheit war es ein wunderbarer Raum voller Austausch, Verletzlichkeit und Verbindung. Und auch wenn es oft schwer ist, an das Gute zu glauben, wenn die Zeitungen voll sind mit Gewalt, so sind genau diese Räume das, was mir Mut macht.

Anmerkung: 1 bell hooks: The Will to Change: Men, Masculinity, and Love. Simon and Schuster, 2004. // 2 Frauen, Lesben, inter, nicht-binäre, trans, agender Personen und jene, die sich nichts von dem genannten zuordnen.

Zum Autor: Flo Schinnerl lebt in Wien, schreibt seine Bachelorarbeit in Cross-Disciplinary Strategies über feministische Perspektiven auf Männlichkeiten und hält Workshops zu diesem Thema, u. a. mit Max Fuchlueger. 

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