Die 4. Internationale Konferenz für Entwicklungsfinanzierung findet 2025 in Spanien statt und wird von Aktivist_innen für globale Steuergerechtigkeit mit Spannung erwartet. Nahida Ommey, Grace Namugambe und Lays Ushirobira erläutern, warum es auf globaler Ebene neue Spielregeln für eine aktive Steuerpolitik braucht und welche Rolle Schulden in der Finanzierung von Entwicklungszielen und der Umsetzung von Frauenrechten spielen.
Der Blick auf das große Ganze
Nahida Ommey
Mit Blick auf die 4. Internationale Konferenz für Entwicklungsfinanzierung (Financing for Development – FFD) ist es an der Zeit, progressive Besteuerung in einem globalen Zusammenhang zu betrachten. Die FFD-Konferenz wurde nach der ersten asiatischen Finanzkrise 1997–1998 ins Leben gerufen, mit dem Ziel, den Entwicklungsländern notwendigen steuerlichen und politischen Spielraum für eine nachhaltige Entwicklungsfinanzierung zu schaffen. Die Plattform untersucht und analysiert die Implementierung politischer Maßnahmen gegen die Schwachstellen in der globalen Finanzarchitektur. Progressive Besteuerung war eines der zentralen Themen des diesjährigen FFD-Forums, einem Vorbereitungstreffen für die Konferenz im nächsten Jahr. Auf diesem Treffen verhandelten die Mitgliedsländer über wichtige Verträge und Konventionen zu verschiedenen Themen wie etwa Steuern, Schulden, Klima, Künstliche Intelligenz oder soziale Sicherung. In den Nebenveranstaltungen diskutierten verschiedenen Interessengruppen, darunter die Vereinten Nationen, mit Expert_innen und Vertreter_ innen der Zivilgesellschaft verschiedene Aspekte der Entwicklungsfinanzierung. Viele erwarten von den Vereinten Nationen die Verabschiedung einer Steuerkonvention, die den Weg für eine progressive Besteuerung ebnen soll. Das derzeitige unzulängliche internationale Steuersystem ermöglicht es Unternehmen und wohlhabenden Einzelpersonen, Steuern in Milliardenhöhe in Steueroasen zu verschieben, und begünstigt illegale Finanzströme. Laut einem Bericht der Global Alliance for Tax Justice (GATJ) gehen jedes Jahr 427 Mrd. US-Dollar an Steueroasen verloren. Diese Steuereinnahmen fehlen zur Finanzierung öffentlicher Dienstleistungen, die wiederum für die Förderung von Frauenrechten von Bedeutung sind. Die so entstehende finanzielle Lücke in der Volkswirtschaft versuchen viele Länder mit oft nur schwer zu bedienenden bilateralen und multilateralen Krediten zu füllen.
Nahida Ommey ist Senior Policy Specialist für wirtschaftliche Gerechtigkeit bei Christian Aid in Bangladesch und Co-Vorsitzende der Arbeitsgruppe Steuer und Gender der Global Alliance for Tax
Justice.
Entwicklungsfinanzierung und Geschlechtergleichstellung
Grace Namugambe
Beim Thema Entwicklungsfinanzierung geht es darum, wie Regierungen die Ressourcen zur Finanzierung ihres Staatshaushalts und ihrer Entwicklung aufbringen, z. B. aus Steuern, Schulden, Beihilfen oder Zuschüssen. Die Regierungen erkennen zunehmend, dass Steuern die nachhaltigste Quelle zur Finanzierung ihrer Entwicklungsziele sind. Die geltenden Regeln in der globalen Finanzarchitektur zwingen jedoch insbesondere Regierungen im globalen Süden dazu, regressive Steuern zu erheben, die besonders Frauen stark belasten. Darüber hinaus schränken Lücken in den internationalen Steuervorschriften die Länder des globalen Südens in den Gestaltungsmöglichkeiten ihrer Steuerpolitik ein, so dass viele von ihnen auf Schulden, Hilfe und Zuschüsse der internationalen Finanzinstitutionen angewiesen sind. Diese Gelder sind oft an Bedingungen wie eine Haushaltskonsolidierung geknüpft. Das bedeutet, Staatsausgaben müssen reduziert werden, um die Kreditrückzahlung sicherzustellen. Folglich kürzen Regierungen die Mittel für wichtige Dienstleistungen wie Gesundheit, Bildung, Wasserversorgung und Abwasserentsorgung, was dazu führt, dass Dienstleistungen privatisiert und so nur noch für wenige Privilegierte erschwinglich werden. Da Länder zunehmend Kredite von privaten Einrichtungen statt von traditionellen Kreditgebern wie dem Internationalen Währungsfonds (IWF), der Weltbank und anderen multilateralen Entwicklungsbanken aufnehmen, sind viele von ihnen aufgrund der hohen Zinssätze und kurzen Rückzahlungsfristen, die ihnen von privaten Kreditgebern auferlegt werden, mit hohen, nicht tragfähigen Schuldenniveaus konfrontiert. Das führt in vielen Ländern des globalen Südens zu einem Teufelskreis aus hohen Zinszahlungen, regressiven Steuern und Kürzungen bei öffentlichen Dienstleistungen, die für das Wohlergehen von Frauen und Mädchen entscheidend sind. Im Hinblick auf die 4. Internationale Konferenz für Entwicklungsfinanzierung 2025 ist es ermutigend, dass es Fortschritte auf dem Weg zu einer fairen globalen Finanzarchitektur gibt. Der laufende Prozess zur Entwicklung eines Rahmenübereinkommens der Vereinten Nationen ist entscheidend für eine demokratische, transparente und inklusive Gestaltung internationaler Steuervorschriften und den Schutz der Besteuerungsrechte afrikanischer Länder. Die Forderung nach einem multilateralen Mechanismus zur Verhandlung von Schulden unter der Schirmherrschaft der Vereinten Nationen bleibt jedoch entscheidend, um faire Bedingungen und ein tragfähiges Schuldenniveau für Länder des globalen Südens zu gewährleisten.
Grace Namugambe ist Entwicklungsökonomin und Aktivistin für Steuergerechtigkeit.
Das falsche Versprechen von Entwicklung durch Schulden
Lays Ushirobira
Viele Länder verschulden sich, wenn die Steuereinnahmen für ihre Entwicklung nicht ausreichen. Schulden können zwar ein wichtiges Instrument sein, aber sich auf nur eine Art der Finanzierung zu verlassen kann problematisch sein und Ungleichheiten verstärken. Die gesamte Auslandsverschuldung in Lateinamerika und der Karibik (LAC) stieg von 26,7 Mrd. US-Dollar im Jahr 1970 auf 327,6 Mrd. US-Dollar im Jahr 1982. Die hohen Schulden lösten zusammen mit der Liberalisierung, Privatisierung und Sparmaßnahmen eine schwere Wirtschaftskrise aus, die das so genannte „verlorene Jahrzehnt“ prägte. Sparmaßnahmen werden häufig als Teil der Kreditbedingungen des IWF und der Weltbank unter dem Vorwand der wirtschaftlichen Stabilisierung übernommen. Dabei werden Investitionen in Bildung, Gesundheit und sozialen Schutz eingeschränkt – welche aber unerlässlich sind, um Ungleichheiten, einschließlich der Geschlechterungleichheit, zu verringern. Steigende Schulden und niedrige Steuereinnahmen haben außerdem dazu beigetragen, dass Lateinamerika und die Karibik auf die Pandemie so unvorbereitet waren. Ohne ausreichende Infrastruktur konnten viele Länder die hohen Anforderungen an das Gesundheitssystem nicht bewältigen. Die negativen Auswirkungen der Sparmaßnahmen beeinträchtigten soziale Rechte insgesamt. Länder mit einem hohen Anteil an informellen Arbeitsverhältnissen – in denen Frauen überrepräsentiert sind – waren nicht in der Lage, Maßnahmen zur sozialen Distanzierung aufrechtzuerhalten. Ohne Zugang zu öffentlichen Dienstleistungen und ohne soziale Absicherung waren viele Beschäftigte gezwungen, zwischen Gesundheit und Hunger zu wählen. Im Jahr 2021 wurden mehr als 10 % des Vermögens der lateinamerikanischen und karibischen Länder oder 1 von 10 in der Region erwirtschafteten USDollar für die Begleichung von Auslandsschulden verwendet. Dabei sind es jene Sektoren, die am wenigsten von den aufgenommenen Schulden profitieren, die schlussendlich am meisten dafür bezahlen müssen. Auch hier trifft es besonders Frauen. Frauenrechte dürfen nicht der Rückzahlung von Schulden untergeordnet werden.
Lays Ushirobira ist Journalistin und Aktivistin aus Brasilien und
arbeitet an der Schnittstelle von Bewegungsaufbau und Advocacy-
Kampagnen für wirtschaftliche und Klimagerechtigkeit.