Rund um den Politically Correct Comedy Club (PCCC*) ist in Wien eine lebendige queer-feministische Stand-Up-Szene entstanden. Bernadette Schönangerer hat mit Co-Gründerin und Host Denice Bourbon und den Comedians Flona und Rosalinda über ihre Wege auf die Stand-Up Bühne, ihre Vorbilder und Inspirationen gesprochen.
Punching Up solo – das ist das Motto an diesem Abend in der Kulisse Wien, einem urigen Kulturbeisl und alteingesessener Kabarettbühne im 17. Bezirk. Hier ist heute der Politically Correct Comedy Club (PCCC*) zu Gast, Wiens erster queerer Comedy-Club, der 2017 von Denice Bourbon und Josef Jöchl gegründet wurde. Rund um PCCC* ist seither eine lebendige Stand-Up-Szene entstanden, die ein wachsendes Publikum anzieht und sich immer weiter vernetzt. Political Correctness, von rechter Seite oft als „Zensur“ abgewertet, wird sich hier bewusst positiv angeeignet. Punch up, never kick down lautet sinngemäß der Leitspruch des Clubs: niemals nach unten zu treten und Witze auf Kosten derer machen, die ohnehin bereits von struktureller Diskriminierung betroffen sind. Diversität, Selbstermächtigung und Community werden bei PCCC* großgeschrieben. Viele der Performer_innen kommen aus anderen künstlerischen Bereichen wie Musik, Performance und Tanz, sind politische Aktivist_innen oder stehen zum ersten Mal überhaupt auf einer Bühne. An diesem Abend präsentieren Flona und Rosalinda ihre Solo-Sets. Wir haben uns vor der Show unterhalten.
Wie seid ihr dazu gekommen, Comedy zu machen?
Rosalinda: Ich habe mich immer humorvoll mit gesellschaftskritischen und feministischen Themen auseinandergesetzt, aber vor allem in Texten und in meinem Podcast „2 Glasses Deep“. Dann habe ich Denice zu meinem Podcast eingeladen. Das Konzept ist, dass ich Leute einlade, die ich davor nie gesehen habe und mit ihnen auf zwei Getränke gehe. Irgendwann hat Denice dann gesagt: Du musst unbedingt mal auf der Bühne stehen. So bin ich zur Comedy gekommen. Ich glaube, dass Humor eine gute Herangehensweise ist, sich mit feministischen Themen auseinanderzusetzen. Auf der Bühne mache ich das allerdings weniger in your face als in meinen Texten.
Flona: Ich war schon immer die, die den Clown gespielt hat in der Schule. Ich wusste irgendwann einfach, ich möchte Stand-Up Comedy machen. Eines Tages hat mich ein Freund gefragt, ob ich zu einer Comedy-Show mitkommen will. Und das war PCCC*. Und ich hab’s geliebt dort zu sein, den Leuten zuzuhören. Damals war ja PCCC* noch im WUK und ich hab‘ dann eine E-Mail ans WUK geschrieben, dass ich ein Praktikum bei PCCC* machen will – in der Comedy. Und diese E-Mail hat Denice erreicht und ich glaube, sie hat sich einfach kaputtgelacht.
Denice: Ich wollte immer Comedy machen, aber ich habe mich lange nicht getraut. Stand-Up Comedy ist die einzige Kunstform, in der du zu 100 Prozent dem Publikum und seinen Reaktionen ausgeliefert bist. Jede andere Kunstform kann immer noch funktionieren, auch wenn die Leute z.B. nicht applaudieren. Du kannst immer noch deinen Song oder deine Tanzperformance zu Ende machen. Aber wenn du ein Comedian bist und die Leute lachen nicht – dann funktioniert es nicht. Und das ist scary. Ich habe aber auch festgestellt, wenn du politische Reden hältst, hört niemand zu, aber wenn du Comedy machst, also auf lustige Weise, dann ist das anders.
Habt ihr Vorbilder?
Denice: Mein größtes Vorbild ist Eddie Izzard. Sie macht 100% educational comedy, es geht sehr viel um Geschichte und Politik, aber sie erzählt es auf eine sehr lustige Art und Weise. Dressed to kill aus 1999 ist immer noch das beste Comedy-Programm. Als Kind habe ich immer zu Bette Midler aufgeschaut, weil sie so frech und lustig war in all ihren Komödien. Sie war außerdem Sängerin und hat Comedy gemacht, das hat mich beeindruckt.
Rosalinda: Richtige Vorbilder tatsächlich nicht so. Ich habe mir früher immer die Kabarettistinnen auf ProSieben angeschaut. Ich kann mich erinnern, dass ich eine Bewunderung dafür hatte, dass sie sich den Text merken können und dann auch noch lustig sind auf der Bühne. Ich weiß noch, dass ich Carolin Kebekus sehr cool fand früher. Und dass ich‘s cool fand, dass eine Frau auf der Bühne und im Fernsehen so feministisch ist. Aber ich habe nie darüber nachgedacht das selbst zu machen.
Denice, du hast PCCC* gemeinsam mit Josef Jöchl gegründet. Was hat euch in Wien gefehlt, was war euch dabei von Anfang an wichtig?
Denice: Wir wollten queere Comedy machen für ein queeres Publikum. Aber die queere Community war nicht so interessiert an Comedy. Es hat lange gedauert, bis ich begriffen habe, warum: weil sie immer die Zielscheibe der Jokes waren. Mit PCCC* war alles ein Lernprozess. Wir haben z.B. früh begonnen, mit einem Sensitivity Reader zu arbeiten. Wir wollten, dass es politisch korrekt ist, haben aber gemerkt, wir schaffen es auch selbst nicht immer, unsere Ansprüche zu erfüllen, z.B. wenn es um ageism und ableism geht. Es war uns von Anfang an wichtig, dass es nicht einfach darum geht, die besten, lustigsten, begabtesten Comedians zu haben, sondern darum, Geschichten von vielen verschiedenen Menschen zu hören.
Wie läuft diese Arbeit mit einem Sensitivity Reader bei auch ab?
Denice: Wir treffen uns eine Woche vor der Show mit dem Sensitivity Reader und präsentieren unsere Texte. Manche performen ihre Texte, andere lesen sie einfach laut vor. Ein Sensitivity Reader gibt dann Feedback zu den Formulierungen oder Inhalten, die möglicherweise Stereotypen reproduzieren oder für andere verletzend sein können. Bei dieser Feedbackrunde geht es nur um political correctness, nicht um die Comedy selbst. Eines habe ich dabei gelernt: Wenn du das Gefühl hast, etwas könnte problematisch sein, dann bedeutet das zu 97% auch, dass es problematisch ist.
Du machst vor jeder Show eine kleine Einführung für das Publikum, erklärst, wie es bei PCCC* so läuft und ermutigst dazu, laut zu sein und sich nicht zurückzuhalten. Warum ist das wichtig?
Denice: Die Leute brauchen eine Erlaubnis, laut zu sein und zu lachen. Wir haben oft Leute im Publikum, die noch nie bei einer Comedy-Show waren, die nicht daran gewöhnt sind, laut zu lachen. Im Kino oder im Theater zum Beispiel darf man das ja nicht, zu laut lachen. Da beschweren sich die Leute. Vielleicht schämt man sich auch für sein Lachen und es sitzt jemand neben dir, den du nicht kennst. Ich bereite also das Publikum vor, damit sie nicht nur leise in sich hineinlachen.
Wie war es bei euren ersten Auftritten?
Rosalinda: Ich habe zuerst bei den Open Mics mitgemacht. Das erste Mal Comedy auf der Bühne, das war im Celeste. Ich war so nervös, aber danach ist es immer besser geworden. Ich hatte schon viel Bühnenerfahrung, mit Tanz seit der Kindheit und bis ins Erwachsenenalter, und auch mit Theater. Gleichzeitig mit meinen ersten Comedy-Auftritten hatte ich auch Lesungen mit meinem Buch. Ich hatte zu der Zeit also viele Auftritte hintereinander. Deswegen war ich es gewohnt, dass die Leute auf mich schauen, dass ich performen muss.
Flona: Es war so geil. Denice hat zu mir gesagt, Flona, honey, komm zu einem Open Mic, it’s gonna be just family. Und wir waren im Wild im West und plötzlich waren da hunderte Leute.
Denice: Es waren wirklich 300 Leute oder so. Ich habe gedacht es kommen vielleicht so 40.
Flona: … und es war großartig!Ich hatte schon etwas Bühnenerfahrung aus einem Schulprojekt in Deutschland. Damals habe ich meine Fluchtgeschichte erzählt und auch ein bisschen schwarzen Humor mit einbezogen. Bei meinem ersten Auftritt habe ich dann über mein Jus-Studium geredet. Dieses Gefühl, auf der Bühne zu erzählen und die Leute lachen, das habe ich einfach geliebt. Ich habe dann auch angefangen, mehr über meine Vergangenheit, meine Familie, meine Herkunft, meine Kultur zu erzählen. Die Leute haben es geliebt, weil es neue Geschichten sind, Dinge, die sie nicht wissen. Es ist lustig, aber es gibt auch eine politische Ebene.
Du hast jetzt die Bühne – und die Leute hören dir zu?
Flona: Ja, genau. Es gibt so viele Leute, die nicht mal ansatzweise über ihre Privilegien nachdenken, die keine Ahnung haben. Sie wissen, es sind Flüchtlinge zu uns gekommen, aber sie haben keine Ahnung was das heißt. Da einfach immer wieder zu sensibilisieren, mehr darüber zu erzählen, damit man ein Bild kriegt von den Menschen. Ich bin auch neu in der queeren Szene, weil ich in einer für queere Menschen sehr strengen Atmosphäre aufgewachsen bin – und damit meine ich Bayern. Ich selbst lerne bei PCCC* auch immer wieder etwas Neues, z.B. von trans Menschen, die ihre Geschichten erzählen.
Wie ist das bei euch? Wie kommt ihr zu euren Themen? Macht ihr Comedy mit euren persönlichen Geschichten?
Rosalinda: Bei mir ist es immer sehr persönlich. Ich erzähle immer wahre Geschichten, manchmal verdrehe ich die Wahrheit so ein bisschen, nehme zwei Wahrheiten und mixe sie zusammen. Aber eigentlich erzähle ich immer aus meinem eigenen Leben. Ich rede viel über Ängste. Oder erzähle Sachen, die ich normalerweise nicht einmal in einem Zweiergespräch erzählen, sondern eher für die Therapie aufheben würde. Das ist sehr befreiend. Es tut gut, so was auszusprechen. Es kommen dann immer Leute und sagen, mir geht’s auch so. Man merkt, dass man nicht allein damit ist. Ich glaube auch, wenn ich irgendwas beginnen würde zu erfinden, dann wäre es gar nicht so lustig. Ich würde mich auch nicht hinstellen und Witze erzählen, weil ich mir Witze nicht merken kann.
Denice: Ich erfinde auch nichts. Es wäre für mich selbst nicht lustig, wenn ich was erfinde. Mein Leben ist absurd genug. Aber, daran habe ich sofort gedacht, als du diese Frage gestellt hast: Ich bin nicht gut darin, in Zweiergesprächen, ganz privat, über persönliche Dinge zu sprechen. Auf der Bühne, mit einem Mikro, da fühle ich mich sicher und safe. Da kann ich über alles reden.
Zu den Interviewten:
Flona hat das Patriarchat und den Sexismus satt und betritt die Bühne, um der Welt auf humorvoll-sarkastische Weise eine nicht-weiße feministische Perspektive zu zeigen. Sie kann düster sein, nimmt das Publikum aber sanft mit auf ihre Lebensreise als Jus-Studentin, Comedian und Flüchtling.
Rosalinda ist Autorin, Podcasterin, Stand-Up Comedian und Bloggerin. In ihrem Buch „I’m stupid and you like it: Dem Patriarchat einen Headbutt geben“ beschäftigt sie sich mit der Repräsentation von weiblich gelesenen Personen in Filmen.
Denice Bourbon ist eine lesbisch/queere feministische Performancekünstlerin, Sängerin, Autorin, Moderatorin, Kuratorin und Stand Up Comedian. 2017 hat sie den queeren Comedy Club PCCC* mitgegründet, den sie seit 2020 als Moderatorin, Büro-Genie und Comedy Mother alleine leitet.
Zur Interviewerin: Bernadette Schönangerer ist Redakteurin der frauen*solidarität.