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60 Sekunden für den sozialen Wandel

Ein Artikel von:
Lenja Koch

Mit Comedy auf Social Media zu einer gerechteren Welt? Ob der Anspruch wirklich so hoch ist oder nicht: Auf sozialen Netzwerken wie TikTok und Instagram lässt sich allerhand politische Comedy finden. Ein näherer Blick in diese Welt lohnt sich.

Spätestens seit 2020 ist klar: TikTok und Instagram sind die Orte für Comedy. Humor in Form von Memes, Prank-Videos oder vermeintlich echte Situationskomik ist zwar schon seit den frühen Phasen des World Wide Web präsent, in den letzten Jahren jedoch sind neue, spezifische Formen der Social Media Comedy entstanden. Was aktuell wahrscheinlich am meisten konsumiert wird, sind kurze Videoclips von bis zu einer Minute – das Format, mit dem die Plattform TikTok zur am schnellsten wachsenden App geworden ist, mit aktuell monatlich 1,59 Mrd. aktiven Nutzer_innen.

TikToks und Reels

Im Jahr 2020 war der Erfolg dieses Formats deutlich, und die Corona-Pandemie hatte den Austausch im digitalen Raum noch relevanter gemacht. So hat im August 2020 auch die Plattform Instagram – die aktuell monatlich 2,1 Mrd. aktive Nutzer_innen verzeichnet – eine ähnliche Funktion, die sogenannten Reels, eingeführt. In diese meist 30 bis 90 Sekunden packen viele Menschen eine ganze Menge Witz. Insbesondere Sketch Comedy ist weit verbreitet – für die Pointe entwickeln die Content Creator_innen bestimmte Charaktere, die sie selbst spielen, oder ganze Formate, die wiederkehren. So binden sie Fans an sich und lassen ihre Follower_innenschaft wachsen.

Das gilt nicht nur für jene, die ohnehin schon in der klassischen Unterhaltungsbranche aktiv sind und jetzt auch auf den sozialen Medien mithalten müssen. Gemäß dem Versprechen der vermeintlich demokratisierenden sozialen Medien, alle Nutzer_innen könnten gleichzeitig Konsument_innen und Creator_innen sein, gelangen auch Comedy-Neulinge zu großer Beliebtheit. Dadurch werden auch bisher weniger gehörten Stimmen und bekannten Themen Türen geöffnet.

Das Patriarchat geht in Therapie

So etwa bei Katharina Linnepe (@katharinalinnepe), die in ihren Videos „Wenn das Patriarchat in Therapie geht“ die Therapeutin gibt, die immer kurz davor steht, über das Verhalten des Patriarchats zu verzweifeln. Auf diese Weise macht sie die Absurditäten und Widersprüchlichkeiten des Patriarchats ganz wunderbar deutlich und klärt nebenbei (und mit einem Augenzwinkern) auf: So lernt das Patriarchat etwa, nicht von der „verrückten Ex“ zu sprechen oder die Angst vor der Menstruation zu überwinden. Diese Situation, in der das Patriarchat als unwissend und Hilfe bedürftig dargestellt wird, ist nicht nur äußert lustig, sondern hat auch für die Zuschauer_innen einen geradezu selbstermächtigenden Charakter.

Linnepe ist eigentlich Sprecherin und Moderatorin und betreibt seit dem Erfolg mit ihren Therapiesitzungen auch einen feministischen Podcast namens „Femininer Ungehorsam“.

Stereotype bekämpfen

Auch Charity Ezekie (@itssucrepea) macht selbstermächtigende Comedy. Die nigerianische Influencerin begann 2020 Videos auf TikTok zu veröffentlichen. Anfangs postete sie über die Mode in verschiedenen afrikanischen Ländern. Doch als immer mehr US-Amerikaner_innen ihre Seite entdeckten und in den Kommentaren ihre große Ignoranz gegenüber Afrika zur offenbarten, reagierte Ezekie mit Humor: Sie gibt sarkastische Antworten auf die ignorantesten Fragen, während im Hintergrund meist ihre Realität gezeigt wird.

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