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Maria Mies

Ein Artikel von:
Christa Wichterich
Pionierin des internationalen Feminismus Im Mai 2023 starb Maria Mies. Christa Wichterich, Wegbegleiterin der deutschen Wissenschaftlerin und Aktivistin, erinnert an die feministische Pionierin. In ihrer Autobiographie von 2010 zeichnete Maria Mies ihren Lebensweg und einzigartigen Bildungsaufstieg „vom Dorf in die Welt“ nach. Die Herkunft aus einer bäuerlichen Familie in der Eifel als siebtes von zwölf Kindern blieb zeitlebens ein Ankerpunkt für ihre feministische Theoriebildung und ihren Aktivismus. Sie betrachtete die kleinbäuerliche Land- und Viehwirtschaft als Vergangenheit und Zukunft der Existenz- und Ernährungssicherung. Auf dieser Grundlage hatte ihre Familie den Krieg und die Nachkriegszeit ohne Hunger überlebt. Dazu erzählte Maria gern die Geschichte von ihrer Mutter und der Sau. Nach dem Krieg sagte die Mutter: „Das Leben geht weiter“ und brachte die einzig verbliebene Sau zum Eber im Nachbardorf. Die im nächsten Jahr geborenen zwölf Ferkel wurden gegen notwendige Gebrauchsgüter getauscht. Aus der Enge in die Weite Trotz der anhaltenden Verwurzelung in der bäuerlichen Kultur trieben die Neugier und die Bildung Maria Mies aus der Enge des Eifeldorfes hinaus. In der Welt fand sie aber immer wieder das Dorf. Bäuerliches Leben und die Subsistenzorientierung, Landwirtschaft und Ernährung bildeten ein wichtiges Scharnier, über das sie globale Zusammenhänge von Ökonomie, Ökologie und Geschlecht analysierte. Ebenso waren sie ein zentraler Ausgangspunkt für ihre Kritik an der konzerngesteuerten Globalisierung und für ihren Ökofeminismus. Die erste Station ihrer Reise war Indien, wo sie in den 1960er Jahren Deutsch unterrichtete. Später schrieb sie auf der Grundlage ihrer Erfahrungen mit jungen Frauen am Goethe-Institut in Pune ihre Dissertation über Indische Frauen zwischen Unterdrückung und Befreiung. Aus den Rollenkonflikten dieser studierenden und berufstätigen Mittelschichtfrauen schloss sie, dass Gleichstellung der Geschlechter und Integration der Frauen in das bestehende System nicht ausreichten. Vielmehr bedeute Emanzipation, alle Ungleichheiten und Hierarchien der Gesellschaft in Frage zu stellen. Ebenso kritisierte Maria später Gender Mainstreaming. Spitzenproduzentinnen in Heimarbeit In den 1970er Jahren führte sie für die Internationale Arbeitsorganisation ILO eine Studie zur Heimarbeit von Frauen in Dörfern Südindiens im Kontext der „Pauperisierung“ ländlicher Regionen durch. Wegweisend war ihre Analyse der „Hausfrauisierung“ dieser Frauen, die aus der Feldarbeit und dem Handel – sprich: der Öffentlichkeit – verdrängt wurden und als Spitzenproduzentinnen in Heimarbeit in den Weltmarkt integriert wurden. Zusätzlich zu ihrer Ausbeutung als unbezahlte Hausfrauen wurden die Frauen als unfreie, ans Haus gebundene Lohnarbeiterinnen unsichtbar gemacht, während die Männer als Händler und Mittelsmänner öffentlich agierten. Das verschärfte die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung und Hierarchie. Die Konzepte der Hausfrauisierung

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