Foto: Hahn+Hartung

Tyrannenmord ist Notwehr

Ein Artikel von:
Andreea Zelinka
Wenn der Ehemann zum Tyrannen wird und häusliche Gewalt über Jahre andauert, sehen manche Frauen keinen anderen Ausweg, als ihn zu töten. Als Notwehr wird das von der Justiz oft noch nicht anerkannt. Die Frauen sind durchschnittlich 51 Jahre alt und leben in ärmeren ländlichen Regionen in Rumänien und der Republik Moldau. Ihre Männer sind alkoholkrank, gewalttätig und tyrannisieren sie und ihre Kinder über Jahre hinweg – bis sie keinen anderen Ausweg sehen und den Mann töten. In der sensationsgetriebenen Berichterstattung werden sie als „Gattenmörderinnen“ bezeichnet. Sie so zu benennen heißt die Perspektive der Frauen zu ignorieren. Die juristische Fachliteratur nennt es „Tyrannen-Fall“. Täterin und Überlebende Häusliche Gewalt gilt immer noch als Privatsache, in Österreich genauso wie in Rumänien und der Republik Moldau. Das hat unterschiedliche Gründe: Mütter raten ihren Töchtern, die Situation daheim auszuhalten; Priester der orthodoxen Kirche sagen den Frauen, das sei die Bürde, die sie zu tragen hätten. Finanziell sind die Frauen oft von ihren Männern abhängig. Doch selbst wenn sie das nicht wären: ihren Partner oder Ehemann zu verlassen kommt gesellschaftlich nicht in Frage. Die Gewalt wird verschwiegen, auch wenn das ganze Dorf Bescheid weiß. „Die Gesellschaft zeigt oft keine Solidarität mit den Opfern. Vor allem in ländlichen Gebieten herrscht häufig eine Kultur des Schweigens, und der Frau wird die Schuld gegeben, wenn ihr etwas passiert. Nachbarn und Familienmitglieder greifen nicht ein, selbst wenn sie die Gewalt miterleben“, sagt die Journalistin Ioana Pascaru, die für die Magazine DER SPIEGEL und STERN über betroffene Frauen berichtete. Vielmehr wird gesellschaftlich Gewalt gegen Frauen normalisiert. „Wenn er dich schlägt, dann liebt er dich wirklich“ ist nur eines der vielen Sprichwörter, die kursieren. Tyrannen-Privileg Wie Aldo Legnaro und Astrid Aengenheister in dem Aufsatz „Geschlecht und Gerechtigkeit“ darlegen, handeln 64 % der Frauen aus einer lang andauernden Konfliktlage heraus, das trifft nur auf 18 % der Männer zu. Männer töten oft im Affekt oder Rausch. Wenn Frauen töten, dann oft wegen eines familiären Konflikts, der sich nicht lösen lässt, als Ergebnis einer langen Geschichte häuslicher Gewalt. Deswegen hat die Justiz oftmals ein großes Problem damit, die Tat als Notwehr anzuerkennen. Denn Notwehr ist juristisch durch Unmittelbarkeit und einer Zweikampf-ähnlichen Situation definiert. Eine direkte tätliche Auseinandersetzung könnte für Frauen jedoch lebensbedrohliche Konsequenzen haben, sie töten seltener in der akuten Gewaltsituation. Wenn eine Frau ihren Mann etwa im Schlaf tötet, so wird dies rechtlich als „Ausnutzung der Arglosigkeit“ und „Heimtücke“ interpretiert. In solchen Fällen kann das

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